Plattenbau Oleanderweg, Halle (Saale)
Stadtumbau ist für viele Bewohner Halles ein fester Begriff
geworden. Schrumpfende Bevölkerung und eine veränderte
Altersstruktur stellen die Stadt in allen Lebensbereichen vor große
Herausforderungen, nicht nur bei der Bekämpfung des
Wohnungsleerstandes. Stefan Forster Architekten gewannen im
IBAWorkshopverfahren 2003 den 1. Preis für das modellhafte Konzept
des Umbaus eines 5-geschossigen Plattenbaus von 1971 zu einem
modernen, familienfreundlichen Wohngebäude.
Stefan Forster
Stefan Forster Architekten, Frankfurt am Main
Foto: Lisa Farkas, Frankfurt am Main
„Der sowohl inhaltliche als auch formale Bezugsrahmen
unserer Architektur ist die fortzuentwickelnde Tradition der
europäischen Stadt. Denn nur wenn Architektur einen Beitrag zur
Wiedergewinnung des städtischen Lebensraums darstellt, ist sie
nachhaltig.
Dem Wohnungsbau, der entscheidenden Einfluss auf Lebensqualität
hat, fällt hierbei für alle sozialen Schichten eine Schlüsselrolle
zu. Unsere Architektur ist deshalb stets nutzerorientiert, sie
tariert in Abhängigkeit von Ort und Geschichte die Grenzen zwischen
Individuum, Hausgemeinschaft und Stadtgesellschaft stets neu
aus.“
Herr Forster, Ihr Büro hat sich auf die „Transformation von
Plattenbauten“ spezialisiert, welche Stärken machen diesen
Gebäudetyp erhaltenswert?
Der Plattenbau verfügt über eine sehr robuste Grundstruktur, die
hohe Flexibilität ermöglicht. Statisch waren die Großtafeln
belastbar, auch die Dimensionen der Installationsschächte waren
hinreichend groß, um verschiedene Wohnformen und entsprechend eine
Vielzahl von Wohnungstypologien zuzulassen. Doch der Materialmangel
des sozialistischen Massenwohnungsbaus, ein Städtebau, der sich
nicht an menschliche Bedürfnisse, sondern ausschließlich an den
Richtbahnen der Großkräne orientierte, sowie das staatlicherseits
propagierte einheitliche Lebensmodell brachten jene monotone
Tristesse hervor, die die Menschen, so sie es sich leisten konnten,
nach dem Epochenbruch 1989 fluchtartig verließen. Von den im Sommer
2004 geschätzten 1.500.000 leerstehenden Wohneinheiten in
Ostdeutschland lagen weit mehr als die Hälfte in den
Plattenbau-Siedlungen. Der Bestandsgrundriss spiegelt nicht mehr
die Wohnanforderungen unserer heutigen Zeit wieder. Er hat
unbelichtete Küchen, zu kleine Bäder, einen zu schmalen Balkon und
ist auch insgesamt zu klein. Historisch ist dieser Grundriss
verständlicherweise in der Mangelsituation sowie durch die Tatsache
begründet, dass die Menschen relativ wenig Zeit darin verbrachten.
In der heutigen Freizeitgesellschaft sind die Anforderungen an eine
Wohnung jedoch viel höher, so dass der Bestandsgrundriss mit diesen
Anforderungen konfrontiert wurde.
Ihr Büro gewann 2003 das IBA-Workshopverfahren für den
Umbau eines Plattenbaus in Halle-Neustadt. Bitte beschreiben Sie
uns das Umbaukonzept.
Wir haben für diesen Transformationsprozess eigene Kriterien
entwickelt. Ziel der Eingriffe war es, den Plattenbaucharakter
vergessen zu machen und stattdessen an die Tradition der
Gartenstadt anzuknüpfen. Der 5-geschossige Plattenbau,
zusammengesetzt aus 13 einzeln erschlossenen Häusern entstand 1971.
Aus städtebaulichen und wohnungspolitischen Gründen wurden die zwei
Endgebäude vom EG bis DG und der Verbinder vom 1.-4.OG vollständig
zurückgebaut. Die Öffnungen zum Nachbartreppenhaus wurden
verschlossen. Im Bereich der beiden obersten Geschosse wurden große
Teilbereiche inklusive Dachkonstruktion zurückgebaut, um großzügige
Dachterrassen zu schaffen. Die im Süden an das Gebäude angesetzte
Balkonanlage wurde vollständig abgebrochen. Im Inneren wurden in
jedem zweiten Treppenhaus die Läufe und Podeste entfernt, Aufzüge
stellen jetzt die
Vermietbarkeit von den höher gelegenen Wohnungen sicher. Wie alle
Plattenbauten, so leidet auch der hier vorgefundene Typ P2 an der
mangelnden Differenzierung des Wohnumfeldes. Der Übergang vom
öffentlichen zum privaten Raum erfolgte übergangslos. Diesem
Missstand wird durch die Einführung eines privaten Sockels auf
Erdgeschossniveau Abhilfe geschaffen. Hierdurch erhalten alle
Wohnungen im EG, zu beiden Seiten, einen Garten. Die Wohneinheiten
im EG und 1. OG sind als zweigeschossige „Haus-im-Haus“-Wohnungen
mit separatem Eingang und Privatgarten realisiert worden. Vormalig
ebenso beklemmend enge wie dunkle Wohnungen werden durch
vergrößerte Fensterformate offener, Flure wurden verbreitert, Wände
verschoben, Schächte verkürzt und damit individuelle Grundrisse
geschaffen. Einstmals innenliegende Küchen und Bäder werden jetzt
mit Oberlichtern oder Fenstern natürlich belichtet. Insgesamt
wurden die Wohnungen freundlicher, heller und großzügiger. Es
entstanden geräumige Dachgärten, die Assoziationen an Penthouse-
Wohnungen wecken. Natürlich erhielten auch die Fassaden mit
leuchtenden Farben, großen Balkonen und Klinkersockeln eine
Auffrischung. Freilich, diese Erhöhung der äußerlichen
Attraktivität war keine bloße Fassadenkosmetik, sondern entsprach
einer Verbesserung der Qualität der Wohnungen und des
Wohnumfeldes.
Welche Zielgruppen spricht das Gebäude heute
an?
Wir sehen die Hauptaufgabe in der aktuellen Situation nicht in der
Erfindung vermeintlich neuer Wohnformen. Es geht vielmehr darum,
den Wohnungsbestand den geänderten Bedürfnissen der Menschen
anzupassen. Das Ergebnis der Sanierung muss immer eine Wohnung
sein, die auf dem freien Markt konkurrenzfähig ist. Dies bedeutet,
dass das Projekt den Anforderungen an das Wohnen in der heutigen
Zeit gerecht werden muss. Gleichzeitig muss das Ergebnis so neutral
sein, dass es möglichst viele potentielle Mieter anspricht. Wenn
das Endprodukt diesen Kriterien entspricht, glauben wir an die
Nachhaltigkeit unserer Arbeit. D. h. die von uns geschaffene
Architektur muss mehrere Jahrzehnte überdauern und sollte dann auch
weiterhin transformierbar sein. Schon die Architekten von
Halle-Neustadt hatten sich größere Differenzierung des
Wohnungsangebotes gewünscht. Aus ökonomischen und wohl auch
ideologischen Gründen war damals darauf verzichtet worden. Wir
sehen uns mit dem Projekt auch etwas in der Tradition der Kollegen
von vor 40 Jahren.
Herr Forster, vielen Dank für das Gespräch!
- Projekt I Plattenbau Oleanderweg, Halle
(Saale)
- Bauherr I GWG Gesellschaft für Wohn und
Gewerbeimmobilien, Halle-Neustadt mbH, Halle (Saale)
- Architekt I Stefan Forster Architekten,
Frankfurt a. M.
- Workshopverfahren I 1. Preis, 2003
- Fertigstellung I 2010
- Baujahr Plattenbau I 1971
- Grundstücksfläche I 5.673 qm
- Geschosse I 5
- GROHE Produkte I Waschtischarmaturen Concetto,
Duschthermostat Grohtherm 1000, Brause Tempesta,
Vorwandinstallation Rapid SL
Mehr Informationen
ConcettoTempestaRapid SL